ENTHÜLLUNG IM SEPTEMBER
15.08.2024
Im ehemaligen Esloher Bahnhofsgebäude hat der Kunstmaler Thomas Jessen seine Ausstellungsräume und sein Atelier. Kühle Luft empfängt im Sommer seine Besucher beim Eintreten in das alte Treppenhaus. Drei Räume weiter befindet sich das Herzstück der Malerwerkstatt: Ein großer Raum, fast schon eine Halle, mit großen Deckenfenstern im östlichen Teil. Diese lassen das Licht auf ein riesiges Gemälde fallen, dass kurz vor der Vollendung steht: Das Osterbild für den Hochaltar der ehemaligen Abtei- und Domkirche Corvey. Mit 4,5 Metern Höhe ist es so groß, dass es nur im hinteren Teil des Raumes, wo die Decke höher ist, stehen und in Gänze nur mit einem Gerüst bearbeitet werden kann. "Wenn es im September hier abgebaut und in Corvey aufgebaut wird, muss man es zuvor abspannen, einrollen – sonst passt es durch keine Tür – und mit mehreren Personen hinaustragen", erklärt Thomas Jessen. "Die Größe des Bildes ist eine Metapher für das Ostergeschehen, dass man alleine nicht begreifen oder bewältigen kann."
Am 25. September, dem Gründungstag des Klosters 822, wird das neue Hochaltarbild im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des 50. Geburtstages der Bonifatiuswerk-Nordeuropahilfe enthüllt: Um 16.30 Uhr findet in der ehemaligen Abteikirche eine Eucharistiefeier für alle Beteiligten, Teilnehmer aus dem Pastoralen Raum und Pastoralverbund Corvey sowie Interessierten statt. Anschließend wird das Osterbild der Öffentlichkeit präsentiert und vom Künstler Thomas Jessen erläutert. Bereits im vergangenen Jahr wurde Thomas Jessen von der katholischen Kirchengemeinde St. Stephanus und Vitus Corvey gefragt, ob er sich vorstellen könne, das neue Altarbild zu gestalten. "Ich habe daraufhin meine Ideen vorgestellt, Skizzen habe ich keine angefertigt", sagt Thomas Jessen. "Die letzten Absprachen gab es im April dieses Jahres – das Bild ist dann in fünf Monaten entstanden."
Vorgaben seitens der Kirchengemeinde gab es keine. "Ich habe überlegt: Was will man zeigen? Was kann man zeigen? Für mich spielt sich die Ostergeschichte auf einer emotionalen Ebene ab", erläutert Thomas Jessen. "Mit der zentralen Botschaft: Das Grab ist leer. Dafür überlegte ich mir die Form des Durchgangs, der ins Dunkle führt – und sich damit in die Türen des Corveyer Altarumgangs einfügt." Rechts von ihm sind Darstellungen der drei Frauen, die das Grab Jesu leer vorfanden: Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus und Joses, sowie Salome. Ergänzt werden sie von einer zeitgenössisch dargestellten Frau mit Pinsel und Farbkasten. Links vom Durchgang eine Forsythie und ein Lamm. "Diese Stelle ist noch nicht ganz fertig, da kommt noch eine Distel hinzu." Auch die Darstellung Jesu über dem Durchgang wird noch einmal überarbeitet. "Manches hätte ich anders gemacht, aber es gibt gesellschaftliche Grenzen", sagt der Künstler, der 1985 zum katholischen Glauben konvertierte. "Außerdem will ich Diskussionen vermeiden – es geht um Ostern und darum, dass die Menschen über Ostern nachdenken. Was ist Trinität, wie glauben sie?" Die Trinität mit Vater, Sohn und Heiligem Geist, hat Thomas Jessen auf zeitgerechte Art und Weise versucht darzustellen. "Mehr soll dem Betrachter nicht vorweggenommen werden, sie sollen das Bild selbst entdecken."
Das Osterbild ist der Ersatz für das bisherige Gemälde, das am 7. April 1945 zerstört wurde: Der hohe Luftdruck, der bei der Sprengung der Eisenbahnbrücke entstand, zerriss das historische Kunstwerk. Die Fetzen sind seither verschollen – ob sie überhaupt zu einem Ganzen hätten wieder zusammengesetzt werden können, bleibt fraglich. Das Osterbild ist Teil eines dann wieder sechs Kunstwerke umfassenden Bilderrhythmus, der zusätzlich ein Karfreitagsgemälde mit der Kreuzigung Jesu, zwei Pfingstmotive sowie Bilder mit der Himmelfahrt Mariens sowie der Geburt Jesu beinhaltet. Die Gemälde werden passend zum liturgischen Kalender vom Corveyer Kirchenvorstand über ein eigens entwickeltes Rollensystem ausgewechselt. Nach der Enthüllung wird das neue Osterbild bis zum 31. Oktober in der ehemaligen Abteikirche ausgestellt, ehe es bis zum Osterfest 2025 im Bildermagazin eingelagert wird.
(hes)