NETZWERKTREFFEN
20.09.2024
Zu einem Austausch über Improvisation und Storytelling trafen sich 40 Projektpartner des Netzwerks "Räume des Glaubens eröffnen / Space for Grace". Das zweitägige Treffen begann am Dienstag in der Villa Gründergeist in Frankfurt am Main. Der Veranstaltungsort, der erste kirchlich getragene Coworking-Space in Deutschland, wurde bewusst gewählt: "Wir glauben, dass wir als Kirche viel von Menschen lernen können, die die Gesellschaft mit unternehmerischen Mitteln verändern", sagt Miriam Penkhues, Leiterin der Villa Gründergeist, die als Ort der Vermittlung und Übersetzung zwischen kirchlichem Gestaltungswillen und sozialem Unternehmertum dienen soll.
Youth Speaker Rico Montero, Nutzer der Villa der ersten Stunde, ermutigte die Teilnehmer mit einem spontanen Rap dazu, den Kopf auszuschalten und improvisiert sowie kreativ gesellschaftliche Themen anzupacken. Dabei verwies er auch auf seine eigene Geschichte: "Ich galt als Problemkind. Alle haben immer gesagt: Aus dem Jungen wird nie was. Doch jetzt habe ich mir meine eigene Existenz aufgebaut. Veränderung ist möglich!" Patrick Mijnals, Mitglied des Teams der Villa Gründergeist und Gründer der Crowdfunding-Plattform "bettervest", erläuterte den Improvisations-Grundsatz "Scheiter heiter!" anhand seiner ersten Crowdfunding-Erfahrung: "Ich hatte die Projektidee bereits vor tausenden Menschen auf der Cebit vorgestellt, die Website war online und wir hatten bereits zum Sponsoring aufgerufen. Plötzlich machte unser Auftraggeber jedoch einen Rückzug, weil es ihm peinlich war, im Internet Geld für seine Projektidee zu sammeln. Über uns brach eine Welt zusammen." Obwohl sein erstes Projekt also ein Desaster war, hätte er mehr daraus gelernt als aus allen anderen. "Diese Erfahrung hat mir geholfen, das Crowdfunding anders zu gestalten. Es war das beste Projekt, das nie stattgefunden hat!" Agnesa Kolica von "grow together germany" und Jasper Klemm von "leonardo. impact" erläuterten weitere Grundsätze des Improvisationstheaters wie "Der erste Gedanke ist der beste" und "Retten ist Pflicht" anhand ihrer oft verschlungenen Unternehmensgeschichte. Das Ensemble "Impronym" aus Münster übersetzte diese Regeln ins Improvisationstheater. Dabei kamen Haltungen zum Vorschein, die auch für die pastorale Innovationsarbeit wichtig sind, wie die spontane Abänderung aller vorgefassten Pläne und der kreative Umgang mit unerwarteten Impulsen von außen.
Am nächsten Tag erklärte Daniela Kornek, Mitglied von "Impronym" und Referentin für pastorale Entwicklung im Bistum Münster, wichtige Haltungen aus dem Improvisationstheater und wandte sie auf die Situation der Projektpartner an. Dabei ging es unter anderem um Rollenverständnis, Auftreten und eine bejahende Grundhaltung. Tobias Aldinger, Referent für Glaubenskommunikation sowie für das Bonifatiuswerk im Erzbistum Freiburg, vertiefte anschließend das Thema Storytelling. "Storytelling gehört zur DNA der Kirche", erklärte er, "denn nicht nur feiern wir jede Eucharistie im Gedenken an die Geschichte Jesu, sondern jeder einzelne hat den Glauben letztlich dadurch kennengelernt, dass ihm jemand anders davon erzählt hat." Anhand von Methoden wie dem "Core Story Canvas" und dem "Purpose Pitch" konnten die Teilnehmer schließlich ihre eigene Projektgeschichte in ein kurzes Narrativ zusammenfassen – eine Fähigkeit, die in der Projektkommunikation immer wichtiger wird.
"Ich finde die Vernetzung mit anderen kirchlichen Innovatoren unglaublich wertvoll", fasste Julia Niemann, Referentin für das Projekt "Segensorte" im Bistum Hildesheim, am Ende des Tages ihre Eindrücke zusammen. "Es ist so ermutigend, von den inspirierenden Projekten zu hören. Wir als Kirche dürfen und müssen nicht den Kopf in den Sand stecken." Für Herbst 2025 wird bereits eine Nachfolgetagung geplant.
Dr. Miriam Zimmer, Leitung des Kompetenzzentrums Pastorale Evaluation am Zentrum für Angewandte Pastoralforschung (ZAP) der Ruhr-Universität Bochum, und Cyra Gendig, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZAP, haben passend zum Vernetzungstreffen Erkenntnisse aus dem "Space for Grace"-Programm sowohl in Deutsch als auch in Englisch nun auch kostenfrei online veröffentlicht. Das Buch "Space for Grace. Neue Formen von Kirche in Belgien, den Niederlanden und Deutschland. Eine Reise zu wegweisenden Projekten", erstmals 2023 veröffentlicht, zeigt, wie innovative Ideen zu wirkungsvollen Projekten umgesetzt werden können und welche Programmkomponenten Projekte dynamisieren und Kirchenentwicklung anstoßen.
Das Programm "Space for Grace" möchte die Kirchenentwicklung in drei Ländern vorantreiben: Seit 2019 fördert es in Belgien, den Niederlanden und Deutschland innovative kirchliche Projekte ideell, finanziell und strukturell. Das Ziel: Kirchengemeinden und christliche Gemeinschaften beleben, um den Kirchenwandel positiv und dynamisch anzuregen. Bisher konnten mehr als 120 Projekte realisiert, beeindruckende Wirkungen erzielt, Netzwerke geknüpft und Wirkungszusammenhänge erforscht werden. Die Projekte erregen Aufmerksamkeit in ihren kirchlichen Umwelten und fordern zum Nachahmen auf.
(bod/RUB/hes)